You are currently viewing <strong>Greenwashing: Grünes Gift für den Finanzmarkt</strong>
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Desiree Fixler ist die Frau der Woche: Die ehemalige Nachhaltigkeitsmanagerin der DWS sorgte mit ihren Vorwürfen des Greenwashings für eine Razzia bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber und in der Folge für den Rücktritt des Vorstandsvorsitzendes des Fondsanbieters, Asoka Wöhrmann. Aber was genau wird dem Fondsanbieter vorgeworfen?

Unabhängig davon, ob die Razzia von Bundeskriminalamt, Bafin und Staatsanwaltschaft in den Frankfurter Geschäftsräumen etwas justiziables zutage fördern wird, ist der Schaden für die DWS, für die Deutsche Bank und den gesamten Finanzplatz katastrophal. Allein das Medienecho, das die Durchsuchung und der mit den Greenwashing-Vorwürfen erklärte Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden auslöste, ist vernichtend. 

Greenwashing schlägt Bilanzfälschung

Man muss sich das einmal vorstellen: Während Wirecard trotz zahlreicher seriöser Hinweise auf Bilanzfälschungen jahrelang von Bafin und Staatsanwaltschaft unbehelligt Geldbeträge und Transaktionen erfinden durfte, reichte der Hinweis einer ehemaligen Mitarbeiterin auf mögliches Greenwashing seitens der DWS im vergangenen Jahr und deren Büroräume wurden auf den Kopf gestellt. 

Diesen Klops dürften etliche Finanzmarktakteure immer noch nicht verdaut haben, sind grüne Finanzprodukte doch gerade der Renner und Liebling von Anlegern und Verkäufern gleichermaßen. Darum ist die Vermutung auch nicht sonderlich gewagt, dass viele Mitarbeitende von Unternehmen am Finanzmarkt das lange Pfingstwochenende mit der Durchsicht des eigenen Produktportfolios und der dazugehörigen Kapitalanlageprospekte und Unterlagen verbringen werden, statt das sonnige Wetter zu genießen. Aber was genau wird der DWS vorgeworfen, das einen Rücktritt des Vorstandstandvorsitzenden unausweichlich machte?

Geld in grüne Richtung lenken

Das Thema erhält auch deshalb aktuell so viel Aufmerksamkeit, weil die europäischen Finanzmärkte von einer grünen Welle regelrecht überrollt werden. Im Kampf gegen Klimawandel, Artenverlust und Umweltverschmutzung hat die EU im Rahmen des sogenannten Green Deals ein riesiges Paket auf den Weg gebracht, das Finanzströme weg von klimaschädlichen und hin zu klimafreundlichen Wirtschaftszweigen lenken soll. Dieser Lenkungswirkung wird ein enormes Potenzial zum Schutz des Planeten zugesprochen – vermutlich zurecht, regiert Geld ja bekanntlich die Welt. 

Zusammengefasst werden diese Maßnahmen im Sustainable Finance Act der EU, der unterschiedliche Maßnahmen bereithält. Ein sehr wichtiges Instruments ist dabei die EU-Taxonomie, ein Klassifikationssystem, das künftig definieren soll, welche Wirtschaftsaktivitäten als grün eingestuft werden dürfen.

Eine solche Einstufung fehlte bisher, weshalb es Anbietern von Finanzprodukten gar nicht so leicht fiel zu entscheiden, welche Investitionen grün sind und welche nicht. Die grobe Marschrichtung gaben und geben nach wie vor die ESG-Angaben vor, die von Unternehmen, in die ein Fonds sein Geld investiert, veröffentlicht werden.

CSRD verschärft ESG-Berichterstattung

Aber für diese nicht-finanziellen Angaben (ESG steht für Enviroment, Social, Governance) der Unternehmen galten bisher eher schwammige Regeln. Und auch hier setzt der Sustainable Finance Act der EU an. Aktuell wird die Verordnung für die Berichtspflicht von Unternehmen überarbeitet und verschärft. Die künftige Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) wird von Unternehmen eine taxonomiekonforme Berichterstattung ebenso wie eine Überprüfung der Angaben durch Wirtschaftsprüfer verlangen. Aktuell befinden sich sowohl die Taxonomie als auch die CSRD in der Einführungsphase, sind also für Unternehmen und Finanzakteure noch Neuland. 

Pflicht der Anlageberater wurde DWS zum Verhängnis

Die Taxonomie umfasst aber noch einen weiteren – und für die DWS offenkundig verhängnisvollen – Punkt: Die zur Taxonomie gehörende Offenlegungsverordnung verlangt nicht nur von den Unternehmen mehr Transparenz und Wahrheit bei der Beschreibung der grünen Aktivitäten, sondern auch von den Analgeberatern. Diese sind mittlerweile verpflichtet, grüne von nicht-grünen Anlagen zu trennen und die Anleger entsprechend zu beraten. Was Desiree Fixler der DWS vorwirft betrifft eine Verletzung ebendieser Pflicht. So sollen in Kapitalanalageprospekten wissentlich grüne Produkte beworben worden sein, die keine waren. Die Anleger, die auch aufgrund der Taxonomieverordnung inzwischen extrem sensibilisiert sind, was die Nachhaltigkeit von Finanzprodukten betrifft, wurden also bewusst getäuscht. In einem FAZ-Artikel vom 2. Juni 2022 wird ein Finanzexperte mit den Worten zitiert, die „Assett-Manager hätten bei der Vermarktung der Produkte bewusst übertrieben.“ Im Raum steht nun der Verdacht auf Kapitalmarktbetrug – ein Vergehen, das schlimmstenfalls sogar mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden kann.

Finanzmarkt ist wachgerüttelt

Die Maßnahmen des Sustainable Finance Acts werden von etlichen Seiten – Unternehmen, Politik, Lobbyisten – kritisch bewertet. Vor allem die Inhalte der Taxonomie (Stichwort Atomstrom) und die strengeren Vorgaben der CSRD finden nicht nur Befürworter. Und vielleicht haben beide Regelungen ihre Schwächen – zumal sie noch nicht etabliert und bisher eher nebulös sind. Aber allein der aktuelle Fall, der nicht nur die DWS, sondern auch die sich als besonders nachhaltig gebende Deutsche Bank in echte Schwierigkeiten bringt, ist aller Mühen um einen grünen Finanzmarkt wert.  

Definition Taxonomie

“Die Taxonomie ist ein einheitliches Klassifikationssystem, um über nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten in Investmentanlagen, Portfolios und Geschäftsbereichen transparent und vergleichbar zu informieren. Die damit verbundenen Berichtspflichten richten sich an institutionelle Anleger, Finanzinstitute, Vermögensverwalter und an der Börse notierte Großunternehmen. Für Anlageberater besteht zukünftig die Pflicht, auf „grüne“ Investitionsmöglichkeiten hinzuweisen.”

(Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestages, No. 5/22 (18. Februar 2022))